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Nockberge Winterdurchquerung Tag 4: Mut zum Abbruch

Claudia Schallauer
16.01.2023

Tag 4: Über Nacht hat es minimal geschneit und unser Balkongelände ist gerade so viel angezuckert, dass wir mit dem Finger ein kleines Herz malen können. Wir freuen uns über diesen schönen letzten Wintertag, an dem nochmal bis zu 10cm Neuschnee gemeldet sind. Als wir beim Frühstück sitzen, beginnt es so richtig zu schneien. Wir legen unsere GoreTex-Kleidung an und wechseln die Brillengläser auf „schlechteSicht-Orange“. 

 

Lange sind wir gestern bei der Tourenplanung gesessen – und haben drei Optionen verglichen: Die Skitourenroute, die zurück über den Skihang zur Wegtafel führt, über die wir gestern, das Steinnock unterwandernd, gekommen sind. Dieses läge auf der vorgeschlagenen Schneeschuhwanderroute, was den Vorteil hätte, dass wir diesen Weg etwas weiter kennen, im Gegensatz zur Skitourenroute, die direkt vom Hals zur Falkerthütte führt. 

Option 3: Der Sommerabstieg, den ich entdecke, als ich interessiert schaue, inwiefern sich der 8-tägige Weitwandertrail Nockberge von der 4-5-tägigen Wintervariante unterscheidet. Und zwar ist die Wegführung in den Tagen 1-3 fast ident und heute gänzlich anders, nämlich den See umrundend und dann direkt nach Bad Kleinkirchheim absteigend. Diese Option hätten wir für richtiges Schlechtwetter in Betracht gezogen, allerdings liegt rund um den See noch nicht genügend Schnee auf den Straßen, sodass wir - wie es vom Balkon aus aussieht -  abschnallen müssten. 

Um weiter zu entscheiden, googeln wir die Hütte. Eine Info besagt, dass diese heute ab 11 geöffnet, eine andere, dass Montag (heute) und Dienstag Ruhetag sei. Ein Anruf bringt die klärende Info: der Kaiserschmarrn wartet in der gemütlichen Stube. 

 

Die Wahl ist getroffen und wir marschieren zum 1. Ziel, der Hundsfeldscharte los, von der wir gestern ins Skigebiet abgestiegen sind. Inzwischen schneit es heftig, die gestrigen Spuren sind komplett verschwunden und das Pistenbergaufstück bringt mich mächtig ins Schwitzen. Eigentlich müsste man diesen Hang gar nicht gehen, sondern würde als Skitourengeher mit dem Schlepplift bequem hinaufgezogen, was bei uns leider wegfällt. Auch der Versuch, den Skidoofahrer der Skischule zu bezirzen, verläuft erfolglos. Und so stapfen wir los. Grundsätzlich mag ich Höhenmeter am Morgen ja gerne, wenn die Batterien wieder voll aufgeladen und Körper und Geist voll Motivation sind. 

 

Die gesamte heutige Skitourenroute umfasst im Orginal 669m Aufstieg, 17,7 Kilometer Weglänge und 2.250 Höhenmeter mit krönender Genuss-Abfahrt. Über 2 Kilometer abwärts, die wir stapfen müssen. Nach drei sehr zehrenden Tagen und mit der Information, dass der Wind gegen Nachmittag wieder orkanartig auffrischt, ist die dabei inkludierte Wegführung über zwei weitere 2.000er nicht denkbar, vor allem, da die Sicht jetzt schon fast nur mehr 50 Meter beträgt, direkt über uns ein Nebel aus dichtem Weiß.

 

Daher unsere Idee einer Variante 4: von der Falkerthütte direkt nach St. Oswald und ggf. weiter nach Bad Kleinkirchheim, alternativ mit dem Bus. Noch dazu ist kurz nach der Falkerthütte ein Wegstück auf dem Track verzeichnet, das seit August 2022 mit einer Warnung zu Wegausschwemmungen versehen ist. Was leider auch auf unseren Alternativabstieg zutrifft, der auf die Sperre des St. Oswalder Wasserweges hinweist, die beste und effizienteste Linienführung ohne zusätzliche Aufstiege.
 

Als wir das Hotel verlassen, kommt gerade unser Gepäckshuttlefahrer ein, der uns mit einem einladenden „Wollte ihr mitfahren, im Tal regnet es?“, begrüßt. Wir freuen uns aber auf den Schnee, sodass wir sogar eine Massage, meiner Lieblingsmehlspeise „Mohnnudeln“ und einem geführten Aufguss in der wunderschönen Blockhüttensauna im Heidi Hotel als Option 5 trotzen ????.

 

Wir marschieren los. Es ist erstaunlich, wie viel langsamer wir trotz des noch wenigen Neuschnees vorankommen, da wir bei jedem Schritt einsinken. Da der Pistenaufstieg viel weiter wirkt und die Sicht sich minütlich verschlechtert – wir sehen nicht einmal mehr, woher wir kommen, müssen wir regelmäßig einen Kontrollblick auf den GPX-Track werfen. Dieser zeigt nun die 90° Linkskurve an, die zur Scharte und der Weggabelung führt. Der Weg vor uns, unkenntlich. Kein Hinweis, dass wir erst am frühen Vorabend hier abgestiegen waren. Meine Schritte werden ungeschickt, der linke Fuß sitzt tiefer als der rechte, sodass ich die Schieflage durch Körperspannung ausgleichen muss. Etwas weiter links finde ich einen etwas ebeneren Weg, aber das ist reines Ausprobieren. Mir wird etwas flau im Magen, meine Brille läuft ständig an und ich entscheide mich, sie abzunehmen. Etwas, das mir eigentlich missfällt, ohne Sichtschutz zu gehen, aber die Wegfindung ist minimal leichter. 

 

Als wir uns dem Hals nähern, peitscht uns als Willkommensgruß der Wind entgegen, fast schon ironisch als Hinweis, dass er uns das restliche Stück auf der anderen Bergseite begleiten werde. Der Blick zur Hütte endet nach etwa einem Meter. Die Geländeform vor uns, nicht im Ansatz zu erkennen.

 

Meine Entscheidung ist gefallen: zurück zum Start, der zwar auch im Nebel liegt, den wir nun aber schon zweimal gegangen sind und wortwörtlich blind finden. Nach einer Stunde und etwas mehr als 300 Höhenmeter Aufstieg kehren wir also ins Heidiland zurück. Ich merke, wie müde mein Körper ist: meine Beine zittern leicht im Abstieg und meine Augen ob der Anstrengung der Unterscheidung der Weißtöne.

Es ist mental schwierig, ein Projekt so kurz vor dem Ziel abzubrechen, vor allem, wenn man zu zweit unterwegs ist und die andere Person damit auch des Abenteuers beraubt wird. Wenn ich Wanderungen führe, sage ich immer „Wir richten uns nach der Person, die ein Bedürfnis hat“, die sich mit einer Situation oder Entscheidung nicht wohl fühlt. Und das war heute ich. Mein Herz und mein Körper sagen, es war die richtige, sichere Wahl, mein Pioniergeist fühlt sich niedergeschlagen. 

 

Wir setzen uns in den Ruheraum des Heidi Hotel (da der Shuttle, der ja schon da war, erst um 14:00 Uhr wieder Zeit hat, erneut herzukommen). Die Saunen sind noch nicht in Betrieb um 11:00, aber eine Dusche verleiht mir neue Kräfte. Wir dürfen auch die Infrarotkabine benutzen, die die Durchblutung des Rückens anregt. Ein Gedanke hierzu: Während ich beim Sommerweitwandern ab dem 3. Tag meist Verspannungen im unteren Rücken verspüre, ist dieser am heutigen Tag 4 jungfräulich agil, auch nach den Monsteretappen der Tage 1-3. Ob das am Winterwanderrucksack liegt, den ich nur notgedrungen genommen habe, weil man die Schneeschuhe vorn drauf schnallen kann. Habe ich diesem Modell, das meiner Meinung nach nicht optimal sitzt, Unrecht getan?

 

Ein Blick zu Stefan und wir entscheiden, den Outdoorbadeteich bei der Blocksauna aufzusuchen. Gestern habe ich noch gekniffen, aber mein Körper ist auf Abenteuer eingestellt und so schreite auch ich in das maximal einstellig temperierte Wasser. Meine Lebensgeister jubeln. Da wir weiterhin warten müssen, darf ich dann auch noch die Mohnnudeln genießen, was meine Glückshormone nun wieder komplett ins Lot bringt ????.

 

Als der Taxifahrer eintrifft, fegt das Schneegestöber. Der Weg vom auf etwa 1.800m hoch gelegenen Hotel ins Tal gestaltet sich spannend, es ist ein Fahren mit 10km/h und wir sind dankbar über den Vierradantrieb unseres Gefährts. Kurz vor Ankunft in unserem letzten Hotel in Bad Kleinkirchheim wechselt der Niederschlag zu Regen. Während es davor richtig schön winterlich ausgesehen hat, ist hier auf den Wiesen noch einiges an Grün. Das nun auch noch zusätzlich gewässert wird. 

 

Ein optimales Saunawetter, wie wir finden. Nach drei Tagen und etwa 50 Kilometern in den Beinen freuen wir uns auf einen richtig erholsamen Nachmittag, den wir in der erst vor zwei Wochen fertig renovierten Sauna des Hotel Prägant genießen. Während Stefan eindöst, lasse ich die Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren, die so intensiv waren, als ob wir vom Gefühl her schon eine Woche unterwegs sind.

 

Mit großer Dankbarkeit machen wir uns heute Abend richtig hübsch, um in dem edlen Restaurant unser fünfgängiges Menü zu zelebrieren. Und zur Feier des Tages gönnen wir uns einen Aperitiv, um auf unsere erfolgreichen 7 bis 9stündigen Etappen der ersten drei Tage anzustoßen.

 

Mit einer Idee im Kopf, die Winterbegehung 2024 abzuschließen (mit einer Alternativroute am Tag 3 für Schneeschuhwanderer) legen wir die letzten Höhenmeter dieses Abeteuers in den 2. Stock unseres Hotels zurück.

 

Am nächsten Morgen dürfen wir dann wirklich das offizielle Shuttle nutzen, das uns gemeinsam mit unserem Gepäck vorbei am glitzernden Millstättersee zurück zur Katschberghöhe bringt. Wir sind überrascht, dass unsere Auto nur wenig Schnee abbekommen hat, bringen Durchblick in die Windschutzscheibe und treten die Heimfahrt an, die gerade noch ohne Schneeketten möglich ist.

 

 

 

Streckeninformation - Oringal Skitourenroute (die wir nicht gegangen sind)
 

  • Etappenlänge: ca. 17,7km
  • Höhenmeter bergauf: ca. 670m
  • Höhenmeter bergab: ca. 2250m

und das ist ohne den Schlepplift-Zusatzaufstieg von etwa 300 Höhenmetern, den wir heute zurück gelegt haben.

 

  • Highlight des Tages: Mohnnudeln ;-)
Kategorien Natur Bewegung