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Nockberge Winterdurchquerung Tag 2 - Der Mond ist aufgegangen

Claudia Schallauer
14.01.2023

Wir können direkt vom Hotel aus starten. Nur die Straße queren und dann entlang des motivierend plätschernden Krems-Baches entlang, der mich und meine Kamera mit märchenhaften Eisgebilden verzaubert. 
 

Nach etwas weniger als einem Kilometer geht es dann auch schon aufwärts. Genauer gesagt mal 700 Höhenmeter als Morgensport. Heute, Tag 2 ist die Königsetappe mit 1.500 Höhenmetern im Aufstieg und über 1.000m bergab. Ob ich das konditionell schaffen werden? Nach dem langen Tag gestern? Im Sommer bin ich eine ausdauernde Geherin mit schnellen, hohen Anstiegsschritten als Stärke. Aber im Winter weigere ich mich bei allem, was über 1000 Höhenmeter geht, da das Zusatzgewicht an den Füßen (bisher Ski) mir darüber hinaus die Freude schmälert. Nun ja, gestern musste ich diese vehemente 1000er-Grenze schon brechen und ehrlich gesagt habe ich heute ja auch keine Wahl. Wobei ich gestern festgestellt habe, dass ich mit Schneeschuhen viel lockerer und leichtfüßiger bergauf steige als mit Skiern und auch die direktere Linie statt unzähliger Spitzkehren sehr genieße.

 

Ich genieße die Nordausrichtung unseres Hanges, der uns angenehmen Schatten spendet, eine kleine Wohltat nach der Überdosis Sonne gestern. Wir kommen auf den Spuren des Sommerwanderweges gut voran und erreichen in weniger als einer Stunde die Sauregg Alm, was mich optimistisch für die heutige Mission stimmt.  Danach stehen wir vor einem Gigant von Hang. Da hilft nur Augen zu, Steighilfe rein und marschieren. (Im Nachhinein entdeckt, haben wir uns hier etwas zu weit rechts gehalten, allerdings war die Strecke grundsätzlich gut gehbar und lawinenmäßig sicher.) 

Als Belohnung folgt ein wunderschönes Gehstück: der Aufstieg entlang des Grates zum Königsstühl – höchster Punkt des Nockbergetrails mit 3014hm und auch Grenzberg von Kärnten-Salzburg-Steiermark. Wir queren unterhalb der Friesenhalshöhe, ein Weg, der bei Lawinengefahr zu meiden ist. 

 

Hier möchte ich auch kurz anführen, dass wir heute zwischen dem offiziellen Skitouren-GPX-Track des Kärnten Tourismus und einem von einer DAV angehörenden Privatperson erhältlichen Schneeschuhtrack switchen. Zweiterer ist zwar fast drei Kilometer länger, hat dafür aber etwas weniger Höhenmeter, da ein paar wenige kleinere Gipfel umgegangen werden. Und da wir aufgrund der gestrigen Gehzeit überzeugt sind, der Orginal Skitourentrack sei nicht schaffbar, definitiv nicht in den sieben Skitourenstunden, aber vor allem auch nicht in den 7,5 hellen Stunden, die uns Anfang Jänner zur Verfügung stehen. Und da man den Mehrwert des Abfahrtsspaßes mit Ski ja leider nicht hat beim Schneeschuhgehen, ist dieser Vorschlag ein guter Kompromiss für uns. Man kann nicht alles haben. Wobei wir schon überlegt hatten, kleine Rutschteller mitzunehmen oder uns aus einer Rettungsdecke eine Rodel zu bauen (das haben wir vor ca. 10 Jahren mit größtem Vergnügen schon einmal genossen, aber mehr dazu später).

Außer uns sind heute, an einem Samstag, einige Skitouren-Geher unterwegs. Teilweise rutschen diese bei jedem Schritt auf dem doch sehr eisigen Untergrund zurück und ich bin abermals sehr dankbar für unsere Schuhwahl

Ein eisiger Wind tobt, als wir kurz vor Mittag am Königstuhl ankommen. Wir machen ein Gipfelfoto und beschließen, weiter zu ziehen, als sich plötzlich zwei Männer aus einer versteckten Nische erheben und uns ihren „wohl besten Pausenplatz“ offerieren. Jackpot. Versteckt in den Hang, wie eine kleine Biwackstelle, genießen wir bei absoluter Windstille und Traumpanorama warmes Porridge aus meiner Thermobox und frisch gebrühten Kaffee (Spielzeug meines Freundes). 

 

Dachte ich, am Gipfel sei es kalt, lehrt mich die Realität eines Besseren. Der folgende Abschnitt am Plateau fühlt sich an wie eine Poloarexpedition. Ich ziehe mein Eisbär-Halstuch bis über die Nase, die Haube von oben runter und lege sämtliche Schichten an, die ich habe und kämpfe mich gegen den Wind voran. Gut, dass ich im geschützten Winkerl unseres Pausenplatzes meinen durchgeschwitzten BH gewechselt habe, so dass ich jetzt zumindest ein trockenes Körpergefühl genießen darf. 

Nach dem Karlnock folgen ziemlich steile 200 Tiefenmetern. Wir überlegen kurz, hier unsere „Unterlagsrodel“ zu bauen. Allerdings hatten wir vor 10 Jahren keine Schneeschuhe dabei und zwei Paar inklusive Stecken erscheinen uns ohne vorherige Übung bei dieser Steilheit etwas zu riskant. Und Zusatzhöhenmeter, falls wir etwas verlieren sollten beim Rodeln als wenig attraktiv. So traben wir den Hang hinunter. Bei gut 10cm Schnee sehr lustig, allerdings sind manche Stellen sehr brüchig und man muss die Beine gut anheben, um nicht hängen zu bleiben und einen Salto zu schlagen. 

 

Was folgt ist pure Einsamkeit und endlose Weite. Rechts vor uns der markante Koflernock, vor uns ein unbeschriebener Weg. Links über uns thront das Stangnock. Wir halten uns unterhalb mit Ziel Stangscharte. Hier müssen wir das erste Mal seit wir unterwegs sind, komplett selber spuren. Es ist ca. 14 Uhr als wir den dortigen Wegweiser erreichen, der 3h 30min. weitere Gehzeit zur Turracher Höhe verheißt, nicht das, was ich gerade zur Motivation lesen wollte. 

 

Dafür ist es ab hier wieder komplett windstill, wir genießen die Sonne, die uns sanft wieder wärmt und setzen unsere Mission fort. Der Skitourentrack führt übers Gregerlnock, was etwa 300 extra Höhenmeter bedeutet. Wir entscheiden uns für die Umgehung wie auf dem GPX-Track der Schneeschuhroute. Dazu folgen wir der Sommerwandermarkierung, die ihrem Namen alle Ehre macht und einige braune Stellen aufweist. Danach halten wir uns parallel zu diesem aber unterhalb in der Senke. 

 

Bald kehrt wieder Winter ein, und zwar richtig: mit 15 bis 20 cm Neuschnee, die von der Mittagssonne bestrahlt werden, breche ich bei jedem Schritt ein. Die Spuren meines Freundes helfen mir leider auch nicht, da dieser eine viel größere Schrittlänge hat wie ich. So idyllisch die Landschaft ist, so fordernd ist sie.

 

Nach einer kurzen Pause schmiegen wir uns um das Gregory Nock herum und folgen wieder dem Sommerwanderweg. Wenige Meter vor diesem hat vor wenigen Tagen, wie die geringe Zersetzung erahnen lässt, eine Nassschneelawine gebremst. Ganztags sonnenbeschienen haben diese Schneemassen nachgegeben und die Hänge sind nach dem Abgang wieder gänzlich grün. Vor und über uns springen Gemsen, um einiges agiler, als ich mich gerade fühle. Aber der Wegverlauf ist schön, es geht leicht bergauf am Wanderweg und wir erreichen als nächstes Etappenziel die Pregartscharte. Hier mache ich den Fehler, die Beschilderung zu lesen: 2h 30min. zur Turracher Höhe – es ist bereits 15:09.

Ob diese innere Unruhe Schuld daran ist, dass wir uns vergehen? Fakt ist, zuerst finden wir den Weg sehr gut, der etwa auf gleicher Höhenlinie den Bergrücken entlang verläuft. Dann möchte mein Freund etwas bergauf, um die Übersicht zu haben. Fakt ist, es folgt die Erkenntnis, dass wir die Zusatzmeter und extrem steile etwa 100 Höhenmeter bergab zu Winkleralm wieder runter müssen. Und das machen wir, denn wenn es dunkel wird, ist das dümmste, Abkürzungen in unbekanntem Terrain zu suchen sondern lieber zu einem Punkt zurückzugehen, der eindeutig identifzierbar ist. Wir gehen hochkonzentriert und erreichen glücklich den Sommerwanderweg, auf den wir wieder einsteigen.

 

Mittlerweile färbt die untergehende Sonne den Himmel rosa, ein schönes Bild, wären nicht noch einige Kilometer vor uns. Und Höhenmeter im Skitourentrack. Wir entscheiden uns ein 2. Mal für die längere aber dafür flachere Umgehung über die Schafalm des Schneeschuhtracks.  Im Wald sind die Sommermarkierungen gut erkennbar und wir schaffen es, die Schafalm mit aufgehendem Vollmond zu erreichen. Hier nochmal eine Schicht anziehen, die Stirnlampen aufsetzen und die Piste hinauf. Allerdings gibt es hier einen Wanderweg, der 200 Höhenmeter einspart, um 17:00 Uhr eine kluge Idee. Wir denken, dass wir diesen gefunden haben, nur um kurz darauf festzustellen, dass es eine Art Ziehweg ist, dem wir folgen. Wir stellen fest, dass dieser vielleicht unsere Rettung ist, da er ohne weitere Höhenmeter direkt zur Bundesstraße führt. Aufgrund der Kälte ist die Oberfläche des Schnees hier sehr fest, wir kommen zügig voran und der Ausblick auf ein Abendessen gibt uns einen Energiekick. Wir passieren die Straße um 18:00 Uhr und folgen einer Nebenstraße zur Bundesstraße hindurch bis zu unserem Hotel: dem Schlosshotel Seewirt. Durch elegant gekleidete Menschen stapfen wir nach 9 Stunden Unterwegssein etwas abgekämpft, aber einen Saunagang und 4 Menügänge später (mit Mohnkuchen und Bauernhofeis :-) sind wir wie neugeboren. Bzw. bereit zum Regenerationsschlaf, der hoffentlich genau so viel Wunder leistet wie am vorherigen Tag!

 

Streckeninformation
 

  • Etappenlänge: ca. 18,5km
  • Höhenmeter bergauf: ca. 1400m
  • Höhenmeter bergab: ca. 1200m
  • Wetter: sonnig, teilweise sehr windig
  • Highlights des Tages: Königsstuhl, Vollmond, Schlosshotel-4-Gäng Menü
Kategorien Natur Bewegung