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Lebensweg Etappe 13 - der Kreis schließt sich

Claudia Schallauer
28.12.2022

Von Maria Taferl nach Laimbach

 

Einen letztes Mal brechen wir auf. Heute in unserer liebsten Weise, direkt zu Fuß von der Unterkunft aus. Auch wenn die Abholungen stets gut organisiert waren, ist es um ein vielfacher genussvoller, im eigenen Tempo zu frühstücken und innerhalb eines Zeitfensters einfach loszugehen, wenn man fertig aus. Ein herrlicher Abschluss, über den wir uns sehr freuen. Die heutige Tagesstrecke umfasst auch „nur“ 16 Kilometer, und wir haben einen ganzen Tag Zeit.

 

Nach einem mystischen Sonnenaufgang gönnen wir uns zur Feier des Tages ein für mich eher untypisches üppiges Wander-Frühstück. Und im Genießen kommt mir ein Gedanke und ich verschwinde kurz, um etwas abzuklären. 

Bisher konnten wir die herrlichen Annehmlichkeiten unserer Wellness-Unterkunft, allen voran das herrliche SPA nicht nutzen, weil wir stets so spät vom Wandern heimkamen, dass der Hunger Vorrang hatte. Darüber war meine Mama sehr traurig. Und daher beschließe ich, sie eine Nacht einzuladen und zu verlängern. Als Belohnung. Hätte ich im Mai gedacht, dass Sie alle 13 Etappen meistert? Vor allem die 1., über 1000 Höhenmeter bei 27 Kilometern auf den Peilstein? Ich weiß es nicht. Nur, dass ich extrem stolz auf sie bin. Und ich ihr gerne einen Mama-Tochter-Wellness-Nachmittag schenken möchte. Wir packen daher nicht unseren Koffer sondern das letzte Mal unseren Tagesrucksack.  

Um zehn Uhr verlassen wir das Hotel Schachner. Und kommen gerade mal 50 Meter, da eine Dame ein paar Brocken unseres Gespräches aufgeschnappt hat und interessiert nachfrägt „Oh, geht ihr den Lebensweg? Ich habe mir gestern die Broschüre geholt. Es ist eine Einheimische aus Maria Taferl selbst. Wir kommen in ein herzliches Gespräch, und ermutigen Sie, sich auch auf das Erlebnis einzulassen. Mag es dieser Fokus auf die Frau gewesen sein oder unsere Vorfreude auf die letzte Tagesetappe: auf alle Fälle verpassen wir ein 2. Mal die Stempelbox von Maria Taferl. Wir beschließen, weiter zu gehen und diese am Abend zu suchen. 

Nach wenigen Meter verlassen wir den Ort und folgen einem wunderschönen Wiesenweg. Und bekommen unerwartet Begleitung der Sonne, die sich eigentlich erst für den Nachmittag angekündigt hat. Der mitschwingende Wind erinnert mich an eine Szene aus dem Film „Chocolat“ – der Aufbruchsszene. Wir biegen 90° links hab und marschieren auf den Wald zu. Zeit, eine Schicht abzulegen, gesellt sich zur Sonne nun auch die 1. Ansteigung. 

Nach etwa 45 Minuten blicken wir aus einiger Entfernung auf die Basilika von Maria Taferl zurück und verlassen das kurze Straßenstück, um erneut in einen wunderschönen Waldabschnitt einzutauchen. Auch dieser fordert Höhenmeter und mittlerweile sind wir kurzärmelig unterwegs, mit Sonnenbrille und Kapperl. Als wir eine kurze Trinkpause einlegen, erscheinen zwei Rehe, ein kleineres und ein größeres, die anmutig und lebensfroh mit ein paar Sprüngen wieder im Dickicht verschwinden. Es sind diese magischen Begegnungen, die den Zauber des Weitwanderns ausmachen. 

„Glück kannst du nicht suchen, es kann dich nur finden“, kommt mir dazu in den Sinn. Einfach gehen, nicht zu viele Pläne haben, offen sein für Begegnungen, mit Menschen, Tieren und anderen Naturschauspielen. Es folgen noch weitere tierische Momente, die uns immer wieder ein Lächeln ins Herz zaubern.

Als wir den Schutz des Waldes verlassen, begrüßt uns ein eisiger Wind, sodass wir uns mit Windjacke, leichter Haube und Stirnband und dünnen Handschuhen wappnen. Vor uns lacht der Aussichtsturm von Münichreith, der 2016 eröffnet wurde und eigentlich nicht direkt auf der Hauptstrecke des Lebenswegs verläuft. Wir hatten am Morgen entschieden, bei guter Sicht die etwa 30 Minuten extra zu gehen, im Hintergedanke, dass dies eher nicht zutreffen würde. Nun müssen wir eine Entscheidung treffen. Ein Schild „Lebensweg über Aussichtsturm“ bekräftigt uns, den Versuch zu wagen. Hier hat sich jemand engagiert und einen Rundweg geschaffen, worauf wir gehofft hatten, was allerdings auf der Karte nicht ersichtlich und einschätzbar war. 

 

Die Entscheidung fällt also für die extra Höhenmeter aus, primär aus symbolischen Gründen. Der Turm ermöglich einen Blick zurück: auf den noch nicht so lange zurückliegenden Jauerling, aber auch auf unsere Anfänge, den Weinsberger Wald, in dessen schützenden Mantel wir gefühlt für mehrere Tage versunken sind. Und wir schauen nach vorne: ins Zentrum Münichreith und den danach folgenden unbekannten Teil des Weges. 

 

Wir blicken auf 12 Tage am Lebensweg zurück und wenige Stunden voraus. Wir blicken auf unser bisheriges Leben zurück, mit seinen Höhen und Tiefen und das Unbekannte vor uns. Auf die Etappen von der Geburt bis zum Tod und dem heutigen Wegabschnitt "Großeltern und Ahnen". An manchen Tagen sehen wir klar, wohin wir wollen, an anderen liegt alles Nebel, weil wir eventuell selber nicht wissen, wo wir gerade stehen. Drum ist es immer wieder wichtig, inne zu halten und sich neu zu orientieren. Wie hier am Weg.

 

Ein direkter Waldabstieg (ein Dank nochmal hier dem Initiator der tollen Beschilderung) und kurze Zeit später sind wir wieder auf der Originalstrecke. Und auch der Wind ist zurück. Für kurze Zeit als Gegenwind. Auf einem geraden Asphaltstück, ohne Ziel in Sicht. Wir gehen dieses Stück mental gefordert, schmunzeln über die wieder mehr werdenden Christbäume und nutzen diese flache Wegetappe für ein Gespräch über unsere Vorfahren, über die ich überraschend Neues erfahre. Wie gerne höre ich Geschichten von früher, leider wurden diese bei meinen Großeltern oft tabuisiert, zu schmerzhaft waren wohl manche Erfahrungen. Jede/r Vorfahre hat seine/ihre Entscheidungen am persönlichen Lebensweg getroffen. Aber wären diese nicht genau so passiert, gäbe es meine Mama und mich nicht. Dieser Gedanken hilft mir,  Frieden zu schließen.

Immer wieder fasziniert es mich, wie jede noch so kleine Wahl, die Zukunft in ganz andere Bahnen lenken kann. Und darum versuche ich so gut es mir gelingt, diese aktiv und bewusst zu treffen, um sie nach meinen Träumen mit zugestalten.

Wie das Leben so spielt, bekommen wir als Abschluss"geschenk" nun auch ein richtig gatschiges Waldstück serviert, das wohl für die Prüfungen im Leben steht und uns daran erinnert, wie sehr wir etwas wirklich wollen. Erfolg ist eine Hindernisüberwindungsprämie, habe ich mal gelesen.

 

Der Peilstein taucht in unserem Blick auf, wir sind dem Ziel nahe. Majestätisch thront er zu unserer Linken, mit dem großen und kleinen Gipfel. Lange Zeit wandern wir parallel seines Körpers und erinnern uns an diese 1. Etappe zurück, vor der wir so viel Respekt hatten und die meine Mama so souverän gemeistert hat. 

 

Die Sonne verschwindet hinter dem Berg und nun wird es richtig kalt. Unsere Motivation für die letzte Stunde ist gefordert, wir visualisieren die auf uns wartende Sauna, in der wir unsere kalten Finger wieder aufwärmen werden. Aber wir versuchen auch, das Jetzt bewusst wahrzunehmen. Als letzter Wegbegleiter erscheint der Laimbach, dem wir bis kurz vor Zieleinlauf folgen. Auch hier nochmal ein kurzes forderndes Stück, durch eine verwilderte gatschige Wiese. Auch hier, das Leben pur: Etwas zu vollenden ist für mich auch bei Projekten oft eine Herausforderung. Zuerst das Anfangen, der 1. Schritt, dann läuft es. Und manchmal wird das Ende wieder schwierig. Es gibt eine Angst des Beendens, wahrscheinlich wegen der Leere danach? So ist es auch beim Weitwandern. Wollen wir ankommen? Unser Körper ist eingelaufen, der Geist frei, einen Großteil des Tages weit weg vom Alltag. 

Während wir gedankenversunken gehen, erblicken wir schon das Hotel Schreiner, wo wir unser Auto parken durften und lesen ein letztes Mal „Heute Ruhetag“ :-).  Gerne hätten wir hier eine wärmende Suppe genossen. 

So machen wir uns auf unsere letzte Mission: den Abschluss-Stempel finden. Er findet uns – und stolz drücken wir diesen ein letztes Mal auf den etwas abgewanderten Stempelpass, der drei leere Felder aufweist. Von einem Stempel, den wir „pubertär“ umwandert haben, einem der stibitzt wurde und dem von Maria Taferl, dessen Versteck wir noch nicht auf die Spur gekommen sind.

Fest steht, wir haben viele Spuren hinterlassen, in den letzten Tagen aber auch seit unserem 1. Schritt im Mai. Noch mehr Spuren hat der Lebensweg allerdings auf uns hinterlassen. Die Gespräche mit meiner Mama, das gemeinsame Streben nach einem gemeinsamen Ziel, das gegenseitige Motivieren und Miteinander Lachen. Ein unbezahlbares Erlebnis, das ich jeder/jedem nur ans Herz legen kann.

 

 

Es gibt ein Sprichwort: Um einen Menschen wirklich kennen zu lernen, geh mit ihm auf den Berg. Oder auf den Lebensweg.

Meine Empfehlung: Nimm das Lebensweg-Büchlein als Begleitung mit: die Gedanken und Fragen zu den jeweiligen Etappe geben Impulse für tiefe Gespräche – egal ob du mit deinem Lieblingsmenschen oder auch für dich alleine gehst. Dazu erfährst du spannendes zur Region und den Menschen, die mit dieser Region eng verbunden sind. 

Was den Lebensweg und das südliche Waldviertel prägt ist die große Gastfreundschaft und Offenheit der BewohnerInnen. Und das freut mich besonders: Beim herrlichen Abendessen nimmt sich auch die Chefin des Hotel Schachners Zeit für ein Gespräch, was uns auch dort menschlich ankommen lässt. 

Sauna, 5-Gang Abendessen, eine wohlverdiente frühe Nacht. Ein abermals schöner Sonnenaufgang und ein ausgiebigstes Frühstück runden unser Mama-Tochter-Erlebnis ab. Aber eine Überraschung wartet noch: Ich habe Andreas Frey um Hilfe bei der Stempelsuche in Maria Taferl gebeten... und ein Macher wie er ist, hat er uns am kommenden Tag zu sich ins Hotel eingeladen.

Wie groß ist die Freude bei meiner Mama, als wir nicht nur den wunderschönen blauen Sonderstempel des Wallfahrtsortes erhalten, sondern auch die Lebensweg Nadel in Gold überreicht durch Frau Kamleithner vom Waldviertel Tourismus. UND, als Herr Frey das mechanische Alpenpanorama für uns zum Leben erweckt, sind wir zu Tränen gerührt vor so viel Gastfreundschaft.

 

Ich werde noch einen separates Gesamt-Resumé verfassen - hier kurz zusammengefasst: Alle, die ein Weitwandererlebnis suchen, das nicht überlaufen ist, mit saisonalen Highlights (wie der Mohnblüte), großen und kleinen Naturwundern (Ysperklamm) aber vor allem viel Mystik und Menschlichkeit punktet, denen möchte ich den Lebensweg ans Herz legen.

Ob alleine für sich unterwegs, zum Entschleunigen, eine Auszeit nehmen und übers Leben und Entscheidungen nachdenken.
Oder gemeinsam mit einem Lieblingsmenschen, um sich auf einer tieferen Ebene kennenzulernen und Zeit füreinander zu haben. 

Wir haben unser Glück hier gefunden und unsere gemeinsame Lebensgeschichte hier weitergeschrieben. Ein aufrichtiges DANKE an alle Menschen, die uns bei der Organisation unterstützt haben und uns als herzliche Gastgeber Einblick in "ihr Waldviertel" gegeben haben.

Kategorien Natur Auszeit