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HTPT Etappe 8+9: Panorama-Doppel

Claudia Schallauer
22.08.2022

Die 1. Nacht ohne meinen eigenen Kopfpolster, den ich im Koffer zurückgelassen habe, liegt hinter mir. Viele schütteln ungläubig ihren Kopf, wenn ich erzähle, dass ich diesen auf jedes Seminar, und eben auch beim Gepäcktransportteil beim Weitwandern mitnehme. Aber ich weiß, wie viel erholsamer meine Nacht ist – und dafür ist sie ja da: zur Regeneration. Das ist der Grund, warum ich heute etwas gerädert aufwache. Da wir heute eine Doppel-Etappe vor uns haben, muss mein Körper schnell in die Gänge kommen. Gut, dass alles Hab und Gut auf den Rucksack reduziert wurde, so geht das sehr schnell und wir sitzen um 7:30 Uhr mit der anderen Gruppe, die genau den gleichen Wander(doppel)plan für heute hat, am Tisch. Die Inhaberin der Bürglhütte verzweifelt ein 2. Mal. Stefan bekommt – ausnahmsweise – Eier, da für ihn sonst nicht viel (Glutenfreies) übrig bleiben würde. Ich hätte mich sehr auf frisches Joghurt gefreut, muss aber mit einer Scheibe Brot und Handelsmarmelade Aushalt finden. Zum Glück hat Stefan noch eine Banane mit dabei, die ich mit meinen zerbröselten Müsliriegel-Resten und der hofeigenen Milch zuvermenge. Wir müssen schmunzeln, da wir im Vergleich zum Nachbartisch noch wirklich unkompliziert sind – unter der Gruppe befindet sich ein Paar, das sich rein von Rohkost ernährt und sich nun „tierisch“ über zwei Portionen riesen Salatschüssel – pro Person - freuen.

 

Um 8:30 Uhr brechen wir auf – zu einer Strecke, die lt. den GPS-Tracks eine Gesamtgehzeit von knapp über acht Stunden aufweist. Die Bäurin verheißt Regen und Gewitter ab Mittag, und wir können nur hoffen, dass sich der Wetterbericht wie auch schon in die Vorwoche zu unseren Gunsten irrt. Sehr neugierig bin ich, wie schnell wir das Ziel erreichen, da wir im Comfort-Teil mit Gepäckshuttle mit leichtem (Tages-)Rucksack um einiges schneller unterwegs waren und die veranschlagten Gehzeiten meist inklusive der Pausenzeiten erreicht haben. Wie wird das heute sein?

 

Unser Weg startet vom Hof gleich steil bergauf. Die Welt um uns liegt im Nebel, mystische Schwaden trennen sie von jener im Tal. Wir befinden uns in einem Märchen aus taubehangenen Blüten, glitzernden Spinnweben und einem 360° Panorama, wie ich es vor Abreise im Nationalparkzentrum in Mittersill auf Leinwand gesehen habe. Nur sind wir diesmal mitten drin.

Die Berge sind großteils schneefrei, was die große Herausforderung der Bürglalm-Bauern erklärt. Diese beziehen ihre Energie aus Wasserkraft und können in normalen Jahren durch die Schneeschmelze bis Ende Juli Strom erzeugen. Heuer sind aufgrund des wenigen Schnees der vergangenen Wintersaison schon Mitte Juni die Wasserreserven zu Ende gegangen und der fehlende Regen schneidet die Hütte von der Energie und damit der Welt ab.

Die Welt und ihre Krisen – nach einer Woche im Gehen scheint sie für mich in weiter Ferne. Die Hektik des Alltags so weit weg wie das Wiesbachhorn, das uns heute die ersten Stunden anlacht. Nächstes Jahr, komme ich, schicke ich ihm in Gedanken zu – ist es doch eines der 15 Summits von Österreich, einem Projekt, das ich für mich 2023 realisieren möchte.

 

Im Moment zählt nur das Hier und Heute… das ist das Herrliche am Weitwandern. Wenig Planen, keine Termine, außer bis abends anzukommen! Heute in der Pinzgauer Hütte, die etwa 26 Kilometer entfernt liegt. Wir befinden uns auf der Etappe 8 und 9 des Hohe Tauern Panorama-Trails auf dessen namensgebendem Teilstück. Waren die erste Woche noch eine Mischung aus Wandern & touristischer Highlights, wie der Krimmler Wasserfälle, der Leitenkammerklamm oder des schönen Ortskerns und das Nationalparkzentrums in Mittersills, sind wir nun tief in das Bergleben eingetaucht, etwa 2000 Meter über Seehöhe und 200 über den Wolken.

 

 

In den nächsten Stunden begegnen wir mehr Kühen als Menschen, auch wenn die am Ende der Etappe 8 liegende Uttendorfer Sonnbergalm gut besucht ist. Viele E-Mountainbiker haben diese herzliche bewirtschaftete Alm wie wir als Rast gewählt und genießen ebenso wie wir den aromatischen selbstgemachten Käse gebettet auf Salat, die erfrischende Molke und den gebackenen Topfenkuchen. Gerne wären wir hier länger verweilt, doch die längere Etappe 9 liegt noch vor uns und Schultern und Beine sind doch etwas müde, sodass wir die veranschlagte Gehzeit bisher fast 1:1 benötigt haben.

Dieser Teil des Panoramaweges nennt sich Pinzgauer Spaziergang, wohl aufgrund der wenigen Höhenunterschiede der Strecke. Das einzig „kopfmäßig“ herausfordernde sind die „hufeisenförmigen“-Schlaufen, auf denen wir uns von einem Bergrücken zum nächsten bewegen, zwar angenehm auf gleichbleibender Höhenlinie aber gefühlt kaum vorwärts.

 

Echte Hufeisenspuren tauchen am lehmigen Boden vor uns auf und kurze Zeit später blicken wir in die tiefgründigen Augen einer kleinen Herde Pferde: junger verspielter Fohlen und stattlicher edler Elterntiere. Selten zuvor habe ich solch dunkelbraunes Fell in Kombination mit fast weißblonder Mähne gesehen, die im irokesen-struppigen Kurzhaarschnitt der Fohlen besonders drollig aussieht – vor allem im Kontrast zu der Eleganz ihrer tiefschwarz-gefärbten Gefährten. Neugierig kommen sogar die Fohlen auf uns zu, wohl spürend, dass wir wie sie ein Teil der Schöpfung sind.

Erschöpft aber glücklich treffen wir um 18:00 Uhr bei der Pinzgauer-Hütte ein, die sich wiederum etwas unterhalb der Bergrücken im Wald versteckt. Wir sind die ersten Gäste, die 5er Gruppe ist noch hinter uns, und wir genießen eine herrliche Dusche, da wir von jener von oben verschont geblieben sind. Im aufblitzenden Sonnenschein genießen wir ein Gulasch und plaudern zuerst mit dem belgischen Hüttenwirt und später mit unseren eintreffenden Vorabend-Bekanntschaften, die sich aus zwei Wiener Freunden, eine Niederösterreicherin Ärztin und zwei sehr herzlichen jungen afghanischen Männern, zusammensetzt.

Als wir bei Tee und Kakao den Abend ausklingen lassen, trifft das angesagte Gewitter ein. Die längsten Blitze, die ich je gesehen habe, zaubern ein immer wieder neues Gemälde auf der violetten Himmelsleinwand – ein atemberaubendes Natur-Schauspiel.

 

Etappeninfos

  • ET8: Start: Bürglhütte – Uttendorfer Hochsonnbergalm
    ET9: Uttendorfer Hochsonnbergalm – Pinzgauer Hütte
  • Highlights: ursprüngliche Berg-Idylle, Panoramatrail „Pinzgauer Spaziergang“
  • Strecke ET8: 12,2km – ca. 520hm bergauf, 310hm bergab
  • Strecke ET9: 14,8km – 260hm bergauf, ca. 430 hm bergab
  • keine Alternativroute bei beiden Etappen
Kategorien Natur Bewegung Auszeit